Wie das finnische Mindset diverse Plattformen für Innovationen fördern kann

Finnlands Einstellung zu Vertrauen und Erfolg ermöglicht offene und diverse Plattformen zur Förderung von Innovation und Wachstum durch Verbundenheit und Zusammenarbeit. Finnland gehört zu den europäischen Spitzenreitern bei der Förderung von Innovation. Das World Economic Forum stellt fest, dass Finnland „zu den technologisch fortschrittlichsten, innovativsten und dynamischsten Volkswirtschaften der Welt“ gehört. Als Teil der nordischen Länder, die in Fragen der Nachhaltigkeit und Innovation oft als Vorbild genommen werden, ist Finnland Teil einer der am schnellsten wachsenden Startup-Regionen in Europa.

Doch was macht dieses Land mit nur 5 Millionen Einwohnern zu einer so interessanten Plattform für Unternehmer:innen und Innovatoren:innen?

Bevor wir uns mit dem Potenzial Finnlands befassen, wollen wir uns einige der wichtigsten Punkte dieses oft übersehenen Landes ansehen. Finnland, zwischen Schweden, Russland und Estland gelegen, rangiert in den Bereichen Bildung, Lebensqualität und Innovationspotenzial ganz oben. Oft fälschlicherweise als skandinavisches Land bezeichnet (kein:e Finne:in wird sich darüber echauffieren Skandinavier:in genannt zu werden, aber vielleicht führt es zu Augenrollen) gehört Finnland zu den so genannten nordischen Ländern und treibt aktiv Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit und Innovationsförderung voran.

Das Innovationspotenzial wird durch Zusammenarbeit und die verfügbaren Ressourcen entfaltet.

Finnlands privater und öffentlicher Sektor stehen in enger Zusammenarbeit: Universitäten (die alle öffentlich sind) und Unternehmen tauschen Wissen und Expertise aus, um das Potenzial des jeweils anderen zu nutzen und zu vergrößern. Ein Beispiel dafür findet sich in Tampere. Tampere ist die drittgrößte Stadt Finnlands und nach dem Metropolregion Helsinki das zweitgrößte Start-up-Ökosystem des Landes. In Tampere befindet sich die zweitgrößte Universität des Landes, die Universität Tampere (TUNI). TUNI beherbergt den AI-Hub Tampere, ein auf dem Campus angesiedeltes Forschungszentrum für künstliche Intelligenz. Der AI-Hub bringt Studierende, Forscher:innen und Fachleute aus der Industrie durch regelmäßige Workshops, Veranstaltungen und Helpdesk-Sitzungen zusammen und ermöglicht so einen ständigen Wissensaustausch über technischen Fortschritt, Branchenwissen und Bedürfnisse sowie eine Plattform für die Erprobung neuer Lösungen. Darüber hinaus bietet die Universität Tampere Innovationsdienstleistungen für KMUs an und unterstützt das lokale Gründungs-Ökosystem durch die Bereitstellung von Dienstleistungen und Finanzmitteln für Unternehmensgründungen. 

Finnland zeigt sich offen für Forschung und Entwicklung, und finnische Städte begrüßen Experimente von Unternehmen und Startups um Smart City Lösungen zu implementieren. Auf diese Weise erhalten Unternehmen die Möglichkeit, ihre Lösungen zu testen, und die Wirtschaftsregionen werden interessanter und ziehen mehr Talente an.

Während diese Art der Zusammenarbeit und Anstrengung auf der ganzen Welt zu beobachten ist und es nichts Neues ist, dass man Universitäten und Unternehmen zusammenarbeiten sieht, hat Finnland einen einzigartigen Vorteil, der in der finnischen Kultur verwurzelt ist: Ein hohes Maß an Vertrauen und ein ganzheitlicher Ansatz für die Definition von Erfolg sind wichtige Faktoren, die nicht zu übersehen sind.

Vertrauen und die Definition von Erfolg als Schlüssel zum Fortschritt 

Finnland gilt als das glücklichste Land der Welt. Das Streben nach Glück spiegelt sich auch in der Bedeutung des Erfolgs wider: Es ist wichtig, etwas zu tun, das man liebt, anstatt primär für den Status zu arbeiten. Solidarität, Wohlbefinden und Unterstützung, die auch vom Management kommt, werden am Arbeitsplatz hoch geschätzt und sind nichts Ungewöhnliches. Wo Konflikte auftreten, werden sie durch Gespräche und Kompromisse gelöst, was auch durch flache Hierarchien ermöglicht wird. Viele finnische Arbeitsplätze experimentieren mit verschiedenen Lösungen zur Verbesserung des Wohlbefindens der Mitarbeiter:innen, wie z.B. flexible Schreibtischlösungen, flexible Arbeitszeiten, obligatorische freie Tage bei Erreichen eines Überstundenlimits, Bildungstage (bezahlte freie Tage für Bildungszwecke, z.B. Besuch von Vorlesungen) und Ermutigung der Mitarbeiter:innen, Ideen und Anliegen vorzubringen.

Glück rund um die Arbeit, die wir tun, steigert nicht nur unsere Produktivität sondern motiviert uns, Ideen voranzubringen, und mach uns loyaler. Dort, wo wir uns geschätzt und gut fühlen, sind wir bereit, einen Schritt weiter zu gehen, da unsere Motivation intrinsisch ist.

Darüber hinaus und vielleicht am wichtigsten ist, dass dies auch mehr Zusammenarbeit ermöglicht: Das Verständnis, dass meine Kollegen:innen, genau wie ich, durch das gemeinsame Verfolgen eines Ziels und nicht durch Wettbewerb motiviert sind (was dem Gefühl „motiviert, mich zu übertreffen“ gleichkommen könnte), gibt mir mehr Raum, darüber nachzudenken, wie wir gemeinsam ein Ziel erreichen können und wie sich Stärken kombinieren lassen, anstatt zu bewerten, wie ich es schaffe, meine eigenen Stärken am besten zur Geltung zu bringen.

Vertrauen ist der Schlüssel

Was dabei eine wichtige Rolle spielt, ist Vertrauen. Und die Finnen:innen haben Vertrauen: Sie vertrauen einander, sie vertrauen ihrer Regierung, sie vertrauen den Institutionen. Das hängt mit einem wichtigen Wert in der finnischen Kultur zusammen, der Ehrlichkeit. Die Menschen sind ehrlich und werden davon ausgehen, dass man ehrlich zu ihnen ist, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird. 

Dieses Vertrauen zwischen Menschen kann Verbindungen zwischen verschiedenen Gruppen ermöglichen. In Finnland sind die Hierarchien flach, am Arbeitsplatz spricht man Kollegen:innen mit dem Vornamen an, und auch traditionelle Unternehmen und Branchen zeigen sich offen für Veränderungen: Bezahlen mit Karte und Handy wird der Barzahlung vorgezogen, und die meisten Parkhäuser sind mit Kennzeichenerkennung ausgestattet.

Vertrauen und flache Hierarchien geben die Möglichkeit, Fähigkeiten und Stärken in einer Weise zu zeigen, wie es in anderen Umgebungen vielleicht nicht möglich ist, da jeder die Chance hat, sich zu beweisen, und dies nicht nur durch vergangene Projekte, sondern auch durch zukünftige Aktionen. Bei Netzwerkveranstaltungen werden oft auch Studierende willkommen geheißen. Dies eröffnet den Raum für die Auseinandersetzung mit Ideen und die Umsetzung von Veränderungen, da die Menschen auf der einen Seite darauf vertrauen, gehört zu werden, und auf der anderen Seite darauf vertrauen, dass Entscheidungen verantwortungsbewusst getroffen wurden und dass Ideen in einer Weise umgesetzt werden, die einen Nutzen bringt. 

Dieses Vertrauen zu erhalten, motiviert zu einem Verhalten, das von Ehrlichkeit und Authentizität geleitet ist

Dieses Merkmal der finnischen Kultur ist ein wichtiger Vorteil bei der Überwindung einer Schwelle zur Förderung der Vielfalt: Der Schaffung eines vielfältigerem Business Umfelds steht die Tatsache im Wege, dass Netzwerke und Gelegenheiten oft auf der Grundlage von Erreichtem oder vorhandenen Ressourcen geschaffen werden. Dennoch wissen wir, dass nicht jeder den gleichen Zugang und die gleichen Chancen auf Erfahrung und Ressourcen hat. Dies führt zu weniger vielfältigen Ökosystemen. Die Überwindung dieses Faktors und die stärkere Konzentration auf die Dinge, die eine Person erreichen möchte, auf das Vertrauen in die Fähigkeiten mit einer Zukunftsperspektive, anstatt dies mit einem bestimmten Beleg aus der Vergangenheit beweisen zu müssen, bringt Chancen für Vielfalt. Es ist das Vertrauen, dass jeder etwas beitragen kann.

Wir wissen, wie wichtig die Förderung der Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Institutionen für die Innovationsförderung ist. Wir wissen auch, dass der Mangel an Diversität eine nicht ausgeschöpfte Quelle für wirtschaftliches Wachstum und Innovationspotenzial ist. Letztlich bedeutet Zusammenarbeit immer, dass Menschen zusammenkommen, um miteinander zu arbeiten. Dazu müssen Plattformen geschaffen werden, auf denen dieser Wissensaustausch und diese Zusammenarbeit auf Augenhöhe stattfinden kann, auf denen wir einander gleichberechtigt begegnen und eine Kultur schaffen können, in der Menschen gehört und gesehen werden. Von diesen Merkmalen der finnischen Kultur zu lernen, kann für die Schaffung solcher Plattformen in Deutschland und in anderen Ländern von großem Wert sein.

Unsere Autorin

Kaya Brandt begeistert sich für Nachhaltigkeit, Digitalisierung und innovatives Denken.
In der Vergangenheit arbeitete sie an Smart City Themen in Finnland und widmete sich der Förderung von Early-Stage Startups und Gründerinnen. 
Sie ist motiviert durch ihre Leidenschaft Probleme zu lösen, und die Überzeugung, dass wir die Möglichkeit haben durch Zusammenarbeit und kreative Lösungsfindung das Leben von Menschen zu verbessern. Folge ihr auf LinkedIn und Instagram.

Beitragsbild: Rieka Anscheit

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