Die Digital Media Women (#DMW) arbeiten seit über 10 Jahren für mehr Sichtbarkeit von Frauen auf allen Bühnen – ob Konferenzen, Fachmedien oder im Management Board. 115 aktive ehrenamtliche Frauen arbeiten an 10 Standorten in Deutschland (Quartieren) mit über 26.000 Community Mitgliedern an klaren Zielen: Sie wollen in einer Welt leben, in der Vielfalt herrscht und sie wollen in einer Welt arbeiten, in der Frauen gleichberechtigt teilhaben und Einfluss nehmen. Die #DMW sehen im digitalen Wandel die größte Chance, diese Vision zu verwirklichen. Sie arbeiten mit verschiedenen Netzwerken in Politik und Wirtschaft zusammen und veranstalten verschiedene Event-Formate. Ein besonders spannendes Projekt ist die #30mit30 Kampagne. Wir sprachen mit Initiatorin Maren Martschenko über Erfolge und vermeintliche Misserfolge der Kampagne und die spannenden Erkenntnisse.
Was hat dich damals dazu bewegt die #30mit30 Kampagne zu initiieren?
Gleichberechtigung in Berufswelt und Gesellschaft – dafür engagiere ich mich seit vielen Jahren bei Digital Media Women. Was uns auszeichnet ist die Haltung “Dafür und nicht dagegen”. Es geht nicht darum, in einen Jammermodus zu verfallen und die herrschende Ungerechtigkeit zu beklagen. Uns war uns ist wichtig, mit guten Beispielen voranzugehen. Geschichten zu erzielen, wie man das Thema angehen kann. Die Notwendigkeit eines steigenden Frauenanteils in den Führungsetagen von Unternehmen steht eigentlich außer Frage.
Viele Studien zeigen schon, dass Unternehmenserfolg und Innovationskraft eng verbunden sind mit einer diversen Unternehmenskultur. Und doch hinken wir in Deutschland, einem der wirtschaftlich hoch entwickelten Länder der Welt, hinterher. Es zeigt sich schon, dass wir insbesondere in der Digitalisierung langsam aber sicher abgehängt werden. Es muss also dringend etwas passieren! Auf unseren Veranstaltungen und in unserer Community kamen zunehmen Aussagen auf wie “Das ist alles gut und schön, aber bei uns geht das nicht.” Oder “Wir würden ja gerne, wissen aber nicht wie!”
Wenn es gelänge nachzuweisen, dass Unternehmen mit gemischten Teams einen echten Vorsprung haben, in Sachen Arbeitsatmosphäre, Themenvielfalt und vor allem beim kommerziellen Erfolg, dann hätten wir den Business Case, nach dem viele Unternehmen fragen.
Diese Gedanken kreisten immer wieder in meinem Kopf, bis ich bei einer meiner Joggingrunden die Idee hatte: Wir finden 30 Unternehmen in Deutschland, die auf den ersten drei Führungsebenen einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent haben. 30 Prozent, weil bei einem Frauenanteil von unter 30 Prozent männliche Verhaltenstereotype in einem Unternehmen oder einem Gremium überwiegen. Genau diese Stereotype sind ein zentrales Hindernis auf dem Weg zur Chancengleichheit. Es herrscht eine einseitige Kultur, in der sich Frauen nicht wohlfühlen, geschweige denn entfalten können. Was Studien ebenfalls zeigen: Unternehmen, die einen Frauenanteil von über 30 Prozent in der Führung haben, sind am Markt innovativer und wirtschaftlich erfolgreicher. So war die Idee der #30mit30 Kampagne geboren.
Was wollen die #DMW mit der Kampagne erreichen?
Wir führen mit Vertreter:innen der für die Kampagne qualifizierten Unternehmen ausführliche Interviews. Beleuchtet werden drei zentrale Fragen: Was hat die Entscheider:innen motiviert, den Frauenanteil auf 30 Prozent und mehr in Führung zu erhöhen? Welche Maßnahmen wurden dafür ergriffen und waren erfolgreich? Was hat sich dadurch im Unternehmen verändert? Herauskommt eine wertvolle Sammlung an good practices, wie Unternehmen vorgehen können, wenn sie mehr Diversitäten und insbesondere Frauen in Führung bringen und halten wollen. Es ist an der Zeit, die Diskussionen darum zu beenden, ob das sinnvoll ist, und dazu überzugehen, den Gedanken Taten folgen zu lassen. Dafür stehen wir als Netzwerk von Macherinnen.
Ihr hattet ja das Ziel 30 Unternehmen innerhalb eines Jahres zu finden? So richtig geklappt hat das ja nicht. Woran lags?
Zum einen ist es extrem mühsam, Aufmerksamkeit für das Thema zu bekommen. Das erschwert die Verbreitung der Kampagne. Zum anderen ist die traurige Wahrheit: Es gibt einfach nicht sehr viele Unternehmen, auf die unsere Kriterien zutreffen. Immerhin 16 haben wir bis heute gefunden.
Hat Euch das entmutigt?
Auf keinen Fall! Es ist ja ein deutliches Signal, wie wichtig diese Kampagne immer noch ist. Jetzt erst recht, da mit dem neuen Zweiten Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) bei Neubesetzungen die 30 Prozent-Quote bei Vorständen eingeführt worden ist. Nun sind die guten Beispiele wichtiger denn je für die Unternehmen, die das neue Gesetz auch wirklich umsetzen wollen. Langfristig jedoch werden Frauen nicht freiwillig in Führungspositionen bleiben, wenn sie sich in einer Unternehmenskultur wiederfinden, die von Männern für Männer gemacht wurde und entsprechend geprägt ist. Aus den aktuell 16 Interviews haben wir bereits wertvolle Erkenntnisse gewonnen, wie das am besten gelingen kann.
Was eint alle diese Unternehmen und welche Rückschlüsse kann man aus diesen Gesprächen ziehen?
Es genügt nicht, Frauen auf Biegen und Brechen einzustellen und Quoten zu erfüllen. Die Wirkung eines solchen Vorgehens wäre nur kurzfristig und würde rasch verpuffen. Für eine langfristig positive Entwicklung in Richtung Gleichberechtigung und gelebte Diversity ist es notwendig, die Rahmenbedingungen zu verändern. Es gibt fünf wesentliche Punkte, aus denen andere Unternehmen lernen können.
1. DAS SYSTEM MUSS VERÄNDERT WERDEN Wenn man über mehr Frauen in Führung spricht, dann gehört ein grundlegender Systemwechsel dazu. Diese Erkenntnis widerlegt eine weit verbreitete Fehlannahme. Nämlich, dass es die Frauen sind, die sich dem System anpassen müssen, weil sie vermeintlich voller Defizite stecken. Vielmehr ist es das System, dass sich verändern muss.
2. EINE UNTERNEHMENSKULTUR DES VER- UND ZUTRAUENS AUFBAUEN Die Unternehmen, mit denen #30mit30 sprach, haben das erkannt. Ihre gesamte Unternehmenskultur ist darauf ausgerichtet. Dort gehen männliche als auch weibliche Führungskräfte in Teil- oder Elternzeit und bleiben in ihren Führungsrollen. Häufig werden ihre Positionen nach der Rückkehr auf ihre veränderten Bedürfnisse angepasst – nicht anders herum.
3. VORBILDER SCHAFFEN UND VERNETZEN Der Unternehmensführung kommt dabei eine sehr wichtige Rolle zu. Sie muss Gleichberechtigung und Diversität glaubwürdig vorleben und vorantreiben. Zugleich gibt es in allen befragten Unternehmen Frauen und Männer, die als Vorbilder fungieren, Impulse setzen und motivieren.
4. KULTUR SCHLÄGT FACHWISSEN BEIM RECRUITING Einige Unternehmen achten bereits beim Recruiting auf einen «Cultural Fit» mit dem Bewerber oder der Bewerberin. Häufig zählt bei der Bewertung nicht mehr das reine Fachwissen und die Expertise, sondern einzig die Frage: Passt dieser Mensch kulturell ins Unternehmen? Das Motto ist: Fehlendes Wissen kann man erwerben.
Was hat Dich am meisten überrascht?
Frauen werden nicht gefördert, indem man die in Frauenförderprogramme steckt. In den meisten befragten Unternehmen gibt es keine expliziten «Frauenförderungsprogramme». Vielmehr vertritt man die Meinung, Schulungen, Mentoren-Programme und Trainings auch, oder insbesondere, zum Thema Diversity für alle Mitarbeitenden offenzuhalten.
Führt an einer diversen Unternehmenskultur eigentlich noch ein Weg vorbei bzw. sind Unternehmen, die nicht alle ihre Potenziale nutzen, langfristig überhaupt wettbewerbsfähig?
Nein, das lässt sich ganz deutlich erkennen. Unternehmen, denen es nicht gelingt die am besten qualifizierten Menschen mit unterschiedlichem kulturellen, fachlichen und persönlichen Background zu einem schlagkräftigen und effizienten Team zu formen, wird im globalen und regionalen Wettbewerb keine Chance haben. Die Digitalisierung, die zunehmen globalen Märkte und ganz besonders die aktuelle Corona-Krise haben den Unternehmen die Daumenschrauben angelegt. Gestärkt hervorgehen werden nicht die Unternehmen mit den Monokulturen, sondern die, die Vertrauen in die Vielfalt an den Tag legen und damit die besten Ideen umsetzen.
About Maren Martschenko
Maren Martschenko arbeitet als freiberufliche Markenberaterin für Solopreneure, Startups und den kleineren Mittelstand und Autorin des Buchs “Design ist mehr als schnell mal schön” – ein Plädoyer für gestaltende Beratung. Sie versteht sich als Chief-Enthusiasm-Officer für ihre Kund*innen, denn sie weiß, die beste Marke ist die gelebte Marke. Mit ihrer Espressostrategie sparen die Unternehmer*innen Zeit und Geld, weil sie sich auf das Wesentliche und das Wirksame konzentrieren. Beim Digital Media Women e.V. setzt sie sich dafür ein, dass Frauen in der Arbeitswelt gleichberechtigt teilhaben und sichtbar Einfluss nehmen. Sie sieht im digitalen Wandel die größte Chance, diese Vision zu verwirklichen. 2017 wurde sie von Plan W als eine der inspirierendsten Frauen Deutschlands ernannt. Vier Jahre lang führte sie da Netzwerk als 1. Vorsitzende an und ist Initiatorin der #30mit30 Kampagne.
Bild Maren Martschenko: Raimund Verspohl | Bild Kampagne: Simone Naumann
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