Geschlechterparität gibt es in deutschen Vorstandsetagen erst im Jahr 2068 – jedenfalls, wenn der Frauenanteil weiterhin so langsam steigt wie bisher. Das ist eines der Ergebnisse des Reports 2020 Global Board Diversity Tracker der Personalberatung Egon Zehnder. Für die Studie wurden Daten von Unternehmen aus 44 Ländern auf fünf Kontinenten ausgewertet. Wir fassen die wichtigsten Erkenntnisse daraus zusammen.
Seit 2004 veröffentlich Egon Zehnder alle zwei Jahre seinen Report über die Diversität in den größten Unternehmen der Welt. In 2020 kamen 1.685 in die Auswertung. Die meisten von ihnen erreichen eine Marktkapitalisierung von mindestens sechs Milliarden US-Dollar. Da für jedes der 44 berücksichtigten Länder mindestens sechs Unternehmen in die Auswertung kommen sollten, wurde in einigen Fällen der Wert unterschritten. Die gesamte Marktkapitalisierung liegt bei gigantischen 48 Billionen US-Dollar. Hier steht wahrlich die wirtschaftliche Weltelite auf dem Prüfstand.
In deutschen Vorständen sind Frauen eine Rarität
Mit zum Teil ernüchternden Ergebnissen. In Deutschland haben Frauen in den 55 untersuchten Unternehmen, darunter alle DAX-Konzerne, lediglich 35 von insgesamt 289 Vorstandsposten inne. Damit ist der Anteil weiblicher Vorstandsmitglieder zwischen 2018 und 2020 lediglich von 10,8 auf 12,1 Prozent gestiegen. 2016 waren es sogar nur 8,3 Prozent. Besser sieht es bei den Aufsichtsratsmitgliedern aus. Hier sind inzwischen 33,3 Prozent weiblich (2018: 31 Prozent, 2016: 27,6 Prozent). Für die erweiterte Führung, bestehend aus Vorstand und Aufsichtsrat, ergibt sich aktuell ein Frauenanteil von 27,3 Prozent.
Wenn die Unternehmen in diesem Tempo fortfahren, wären Deutschlands Vorstände frühestens 2068 paritätisch besetzt“, kommentiert Lena Kilee die überschaubaren Fortschritte. Sie verantwortet die Diversity & Inclusion-Aktivitäten von Egon Zehnder in Deutschland. „Das können sich Gesellschaft und Wirtschaft nicht leisten. Diverse Teams erzielen bessere Ergebnisse, verstehen die Erwartungen sich stark verändernder Zielgruppen und sind innovativer. Nicht nur Investoren bewerten Unternehmen heute auch nach ihrer gelebten Diversität; wer Top-Talente gewinnen und nachhaltig an ein Unternehmen binden möchte, komme ohne ein gelebtes Bekenntnis zu Diversity und Inclusion heute und in Zukunft nicht mehr aus“, so Kilee weiter.
Die vergleichsweise guten Werte bei Aufsichtsräten steht in Zusammenhang mit der dort seit 2016 gesetzlich vorgeschriebenen Frauenquote von mindestens 30 Prozent. Für Vorstände wurde kürzlich eine ähnliche Regelung eingeführt. In Zukunft muss in einem Vorstand eines börsennotierten oder paritätisch mitbestimmten Unternehmens mindestens eine Frau sitzen, wenn dieser mehr als drei Mitglieder hat. Allein acht DAX-Unternehmen haben da akuten Nachholbedarf, nur vier verfügen momentan über mehr als ein weibliches Vorstandsmitglied. Ganz oben wird die Luft noch dünner: Mit der Spanierin Belén Garijo bekommt im Mai 2021 der Pharmakonzern Merck als zurzeit einziges DAX-Unternehmen eine Vorstandsvorsitzende.
Neuseeland holt beim 2020 Global Board Diversity Tracker die Pole Position
Im internationalen Vergleich belegt Deutschland beim 2020 Global Board Diversity Tracker nur einen Platz im Mittelfeld. Im globalen Durchschnitt liegt der Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten bei 23,3 Prozent, also etwas unter dem deutschen Wert von 27,3 Prozent. Westeuropa erreicht insgesamt allerdings 32,0 Prozent. Die drei stärksten Nationen hier sind Frankreich (43,8 Prozent), Norwegen (39,1 Prozent) und Finnland (37,8 Prozent). Absolute Weltspitze ist Neuseeland mit 45,5 Prozent. Der Inselstaat zeigt auch, welche Fortschritte in kürzester Zeit möglich sind; 2018 lag der Anteil nämlich erst bei 27,1 Prozent. Besonders bemerkenswert: Neuseeland hat das auch ohne gesetzliche Vorgaben geschafft.
Weltweit haben 89 Prozent der untersuchten Konzerne mindestens eine Frau in den höchsten Führungsgremien. In 25 Ländern gibt es allerdings immer noch ausschließlich von Männern gesteuerte Unternehmen. Deutschland gehört dazu, ebenso China, Brasilien und die USA. Der Frauenanteil bei den Vorstandsvorsitzenden liegt weltweit bei mageren 4,5 Prozent, beim Posten des Finanzvorstands bei 14,6 Prozent.
Der 2020 Global Board Diversity Tracker bietet noch eine Fülle weiterer Daten, die man hier nach Bedarf auswerten kann. Viel wichtiger ist aber die Botschaft, die die Studie vermitteln möchte und die im Einleitungstext so zusammengefasst wird: „Bei Egon Zehnder glauben wir leidenschaftlich daran, dass der Aufbau einer vielfältigen Führungsebene (..) ein direkter Weg zum geschäftlichen Erfolg ist. Wir glauben auch, dass dies gut für die Welt ist. (…) Unser 2020 Global Board Diversity Tracker zeigt, wie weit wir weltweit gekommen sind – und wie viel wie viel noch zu tun ist.“
0 Kommentare